Die 29-Jährige sei des mehrfachen versuchten Mordes sowie der Widerhandlung gegen das IS-/Al-Kaida-Gesetz schuldig zu sprechen.
Die Angeklagte habe nicht einmal in Anbetracht der gezeigten Bilder der Schnittwunden ihrer Opfer Reue oder Bedauern gezeigt, sagte die Staatsanwältin des Bundes am Donnerstag vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona TI. Zudem habe die 29-Jährige festgehalten, dass sie das Attentat wiederholen würde, wenn auch nicht in der Schweiz. Der 24. November 2020 sei für Lugano ein «schwarzer Tag» gewesen.
Wie die beiden psychiatrischen Gutachten gezeigt hätten, sei die 29-Jährige im Moment der Tat auch nicht verwirrt gewesen, fuhr die Staatsanwältin fort.
Ganz anders sieht das die Verteidigung: Nach ihrer Argumentation war die Messerattacke von Lugano kein terroristisches Attentat. Die Tat habe vielmehr mit den psychischen Problemen seiner Mandantin zu tun, erklärte der erste von zwei Verteidigern am Donnerstagnachmittag vor Gericht. Diese leide wie von zwei Gutachtern bestätigt unter einer Psychose und schizophrenen Zügen. Seine Mandantin neige dazu, zu lügen, ergänzte der zweite Verteidiger.
Verteidigung kritisiert das Fedpol
Die Verteidigung kritisierte auch die Behörden, die allzu schnell und medienwirksam von einem «Terrorakt» gesprochen hätten. Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) habe dem Vorfall im Warenhaus Manor mehr Gewicht als nötig gegeben, erklärte der erste der beiden Verteidiger. Sowohl die Kantons- als auch die Bundespolizei hätten gut daran getan, mit einer solchen Klassifizierung zuzuwarten.
Die Angeklagte habe zwar selber vor Gericht ihre Tat als «terroristischen Akt» bezeichnet. Ein Geständnis reiche jedoch in der Schweiz nicht aus, um jemanden einer Tat zu überführen, erinnerte der Anwalt in seinem Plädoyer. Dazu brauche es Beweise.
Und diese seien in diesem Prozess Mangelware: Weder könne belegt werden, dass die syrischen Kontaktpersonen der 29-Jährigen einer terroristischen Kampfeinheit angehörten, noch gebe es Beweise für einen aktiv gelebten muslimischen Glauben. Vor Gericht habe die Angeklagte auf die Frage, was die Scharia sei, keine Antwort gewusst.
Die Verteidigung forderte am Ende ihres Plädoyers eine Freiheitsstrafe von acht Jahren wegen zweifachen versuchten Mordes.
Psychose und schizophrene Züge
Zu Beginn der Verhandlung hatten zwei Gutachter der Angeklagten eine nicht-organische Psychose sowie leicht eingeschränkte geistige Fähigkeiten bescheinigt. Die zweite Gutachterin sprach am Dienstag ausserdem von einer schizoaffektiven Störung der 29-Jährigen.
Der erste Gutachter hatte betont, dass die Messerattacke trotz Psychose der Angeklagten nicht als «impulsive Handlung» zu klassieren sei. Das Rückfälligkeitsrisiko stuften beide Psychiater als mittelhoch ein und plädierten für eine langjährige Therapie in einer geschlossenen Anstalt. Keine der beiden zeigte sich bezüglich Therapieerfolg ausgesprochen optimistisch.
Im Laufe der Verhandlung machte die Angeklagte widersprüchliche Aussagen. Während sie am Montag noch gesagt hatte, sie würde das Attentat wieder, jedoch «auf bestimmtere Art» durchführen, revidierte sie ihre Aussage tags darauf dahingehend, dass sie nicht mehr in der Schweiz «angreifen» würde.
Die 29-Jährige hat laut Anklage im November 2020 in Lugano zwei Frauen mit einem Messer attackiert und sich dabei auf den Islamischen Staat berufen. Ausserdem soll sich die Frau zwischen 2017 und 2020 ohne Anmeldung bei den Behörden prostituiert haben.
Vor der Tat soll sich die Frau in der Haushaltswarenabteilung des Warenhauses Manor in Lugano von einer Verkäuferin ein scharfes Brotmesser empfohlen haben lassen. Damit stach sie auf zwei zufällig ausgewählte Frauen ein. Beide wurden bei der Messerattacke verletzt, die schwerer verletzte Frau tritt im Prozess gegen die 29-Jährige als Privatklägerin auf. Sie hat eine Forderung von 440'000 Franken geltend gemacht.
Die Urteilseröffnung ist auf den 19. September um 10.00 Uhr festgesetzt.
(sda/jaw)