Quelle: tvo
Es herrscht Aufbruchstimmung in einem Zelt hinter der Avia-Tankstelle an der Oberstrasse in St.Gallen. Zahlreiche Medienschaffende aus allen Ecken der Schweiz und dem Ausland haben den langen Weg in die Ostschweiz auf sich genommen. Mit ihren benzinbetriebenen Autos sind sie am Dienstag hergekommen, um eines zu sehen: einen Lastwagen, der mit Wasserstoff betankt wird. An der ersten Wasserstoff-Tankstelle in der Ostschweiz, notabene erst die dritte Zapfsäule schweizweit, die mit dem Zukunftsstoff «H2» die Fahrzeuge zum Rollen bringt.
Piccard: «Wir sind nicht modern»
«Wasserstoff ist wie Sex für Teenager – alle sprechen davon, aber niemand macht es.» Mit diesen Worten bringt der Luftfahrt-Pionier Bertrand Piccard das Problem von Wasserstoff-Autos auf den Punkt. Der Ehrengast, welcher mit seiner Solar Impulse nur mit Sonnenenergie die Welt umrundet hat, ist der perfekte Botschafter für die Einweihung der neuen Zapfsäule. «Wir haben das Gefühl, mit unseren heutigen Technologien seien wir modern, doch das sind wir nicht. Denn wir fahren mit einem Treibstoff, welcher vor 120 Jahren entdeckt wurde.»
Mit ihrem Netz aus Wasserstoff-Tankstellen will Avia bis zum Jahresende 50 Lastwagen in Fahrt setzen, die mit grünem Wasserstoff betankt werden. Somit werden über 100'000 Tonnen CO2 eingespart. Der grüne Wasserstoff wird in der Schweiz aus 100 Prozent erneuerbaren Energien mit null CO2-Emissionen hergestellt. «Wir können nicht die Welt retten», gibt Jörg Ackermann, Präsident des Fördervereins «H2 Mobilität Schweiz», zu. «Aber wir können etwas dafür tun.»
Die 50 Hyundai-Lastwagen bis Ende 2020 sollen erst der Anfang sein. Bis 2025 will Avia eine Flotte mit 1600 Wasserstofftank-Lastwagen aufbauen. Auch Migros und Coop gehören zu den Kunden, die mit den neuen Lastwagen ihre Waren transportieren. Als Highlight der Medienkonferenz lässt Avia einen solchen Lastwagen betanken. Über 30 Journalisten wollen dabei den besten Schnappschuss von Piccard an der Zapfsäule erhaschen. Auch der Lastwagenchauffeur erinnert an Pioniergeist: Er trägt einen Cowboyhut.
Nicht nur Lastwagen, auch Autos können an der Wasserstoff-Tankstelle in St.Gallen tanken – davon gibt es jedoch erst sehr wenige. Hyundai und Toyota sind die einzigen Anbieter, die ein (eher teures) Auto mit Wasserstoff-Tank anbieten. Darum ist das Avia-Tankstellennetz auf Transportverkehr ausgerichtet. «Wir freuen uns aber natürlich um jeden PKW-Fahrer», sagt Martin Osterwalder von der Osterwalder St.Gallen AG. «Wir sind überzeugt davon, dass mehr Wasserstoff-Tankstellen auch mehr Wasserstoff-Autos bringen.»
«Die Zukunft ist Realität»
Avia ist nicht der einzige Tankstellenbetreiber, der auf Wasserstoff setzt. Auch Agrola plant bis Ende 2021 rund 20 Tankstellen mit Wasserstoff-Tanksäulen zu bauen. Inwiefern Wasserstoff die Zukunft der Mobilität ist, wird sich zeigen. Für Martin Osterwalder steht fest: "Für uns ist diese Zukunft schon Realität. Die grüne Wasserstoff-Tankstelle ist jetzt da.“ Eingeweiht von einem Cowboy, welcher in seinem glänzenden Lastwagen nach der Tankfüllung lautlos und ohne stinkendes Abgas der Sonne entgegen fährt.
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