Schweiz

«Es ist so mies, dass es schon fast lustig ist»: Flugzeug-Blogger wütet über Fluggesellschaft Swiss

Luftverkehr

«So mies, dass es schon fast lustig ist»: Flugzeug-Blogger attackiert Swiss

· Online seit 17.06.2024, 07:15 Uhr
Weil sein Flug ausfiel, forderte ein Passagier von der Swiss gemäss europäischem Recht eine Entschädigung. Diese lehnte ab. Ein Aviatik-Blogger zerpflückt nun die Antwort der Schweizer Fluggesellschaft. Diese räumt einen Fehler ein, weist die weiteren Vorwürfe jedoch zurück.
Nico Conzett / watson
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So beginnt Flug- und Reiseblogger Ben Schlappig, der auf seiner Webseite onemileatatime über verschiedene Geschichten und News aus der Aviatikwelt schreibt, einen Artikel über den Fall eines Kunden, der von einer Fluggesellschaft – der Swiss – eine Entschädigung verlangte, weil sein Flug ausfiel. Diese versuchte sich herauszuwinden, indem sie eine merkwürdige Antwort lieferte.

Das ist die Geschichte:

Die Ausgangslage

Der betroffene Passagier hat den Vorfall auf dem Kurznachrichtendienst X geteilt: Mitte Mai wollte er mit der Swiss von New York nach Genf fliegen. Doch der Flug wurde gecancelt wegen eines technischen Defekts.

In vielen Fällen haben Fluggäste bei solchen Annullationen eine Entschädigung zugute. Die Höhe dieser hängt unter anderem von der Länge der Verspätung, die aufgrund der Annullation entsteht sowie der Distanz des Flugs ab. In der EU sind diese Bestimmungen, die die Schweiz im Grundsatz ebenfalls anwendet, kundenfreundlich, die Maximalentschädigung beträgt rund 600 Franken. Festgehalten sind die Bestimmungen in der Fluggastrechteverordnung EU261. Hier gibt es die Infos dazu.

Allerdings müssen Geschädigte selbst einen Antrag stellen, um zu ihrem Geld zu kommen. Es gibt auch Firmen, die sich auf diese Forderungen spezialisiert haben und – gegen entsprechende Beteiligung an der Entschädigung – den rechtlichen «Kampf» mit der Fluggesellschaft austragen. Dieser kann sich über Monate hinziehen, da die Fluggesellschaften oft ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um keine Entschädigung auszahlen zu müssen.

So viel zum Kontext. Was der Swiss-Passagier also machte, war, ein entsprechendes Entschädigungsgesuch an die Swiss zu stellen.

Die merkwürdige Antwort der Swiss

Dieses wurde von der Swiss in einer ersten Antwort abgelehnt. Der Passagier liess allerdings nicht locker und hakte nach. Die Antwort, die er beim zweiten Mal kam, liess ihn dann sprachlos zurück.

Sie lautete folgendermassen:

Die Blogger-Wutrede

Laut Blogger Ben Schlappig ist an dieser Antwort «so viel falsch, dass ich gar nicht weiss, wo ich anfangen soll». Er zerpflückt daraufhin die Antwort des Swiss-Kundendiensts:

  • Der Flug LX23 von Los Angeles nach Genf wurde nicht mit einer 737 durchgeführt, sondern mit einer A330. (Die Daten der Flugnachverfolgungsseite flightradar24 belegen dies.)
  • Laut Schlappig gab es das vom Kundendienst beschriebene Ruderproblem an 737-Maschinen tatsächlich, es führte gar zu Unfällen. Allerdings in den 90er-Jahren. Und es sei vor gut 20 Jahren behoben worden.
  • Gemäss dem Blogger spielt es überhaupt keine Rolle, ob es sich um einen technischen Defekt am Flugzeug handelte oder nicht. Eine Entschädigung nach EU-Recht stehe dem Passagier zu, die «bizarre» Antwort der Swiss sei eine Frechheit. Es gehe einzig darum, keine Entschädigung auszahlen zu müssen.

Schlappig schreibt sich im Anschluss regelrecht in Rage. Er wünsche sich, dass es sich um einen Einzelfall handeln würde. Doch das sei es leider nicht der Fall. Fluggesellschaften foutierten sich allzu oft um die Entschädigungsrichtlinien und versuchten diese zu umgehen. Das einzig Überraschende an der Reaktion der Swiss sei deshalb, dass «die Lügen derart absurd sind».

Er fragt zudem ironisch: «Was kommt als Nächstes – wird Swiss in ein paar Jahren den 11. September für Flugausfälle verantwortlich machen?» Und im selben Stil, ob den Kundendienst-Mitarbeitenden der Swiss einfach ein Katalog mit möglichen Ausreden übergeben werde, mit welchen sie versuchen sollen, Passagiere mit Entschädigungsforderungen abzuwimmeln.

Das sagt die Swiss dazu

watson hat die Swiss mit dem Fall konfrontiert. Mediensprecher Michael Pelzer weist die Vorwürfe von Schlappig vehement zurück:

Man habe dies entsprechend gemeldet und gehe davon aus, dass der Artikel angepasst werde, sofern «die journalistische Verantwortung seitens der zuständigen Redaktion wahrgenommen wird».

Wie aber kam es zur kuriosen Antwort auf den Entschädigungsantrag?

Dass die Antwort durch Künstliche Intelligenz generiert wurde, wie dies auf X von einigen Nutzerinnen und Nutzern vermutet wird, sei nicht der Fall. Mediensprecher Pelzer räumt allerdings ein, dass dem Kundendienst ein Fehler unterlaufen ist. Es handle sich um einen Tippfehler:

Dass es bei Flugzeugen des Typs B737 vor Jahrzehnten ähnliche Probleme gegeben habe, sei rein zufällig. Den Vorwurf, dass die Swiss mit bizarren Lügen versuche, Entschädigungsforderungen zu umgehen, weise man entschieden zurück.

Die Ablehnung des Entschädigungsantrags ist laut Einschätzung der Swiss hingegen korrekt. Ein technisches Problem, das zu einer Flugannullierung führe, qualifiziere nicht automatisch zu einer Entschädigung. Beispielsweise, wenn es sich um «aussergewöhnliche Umstände» handle. Diese seien im vorliegenden Fall gegeben.

Während der Europäische Gerichtshof technische Probleme nur selten als aussergewöhnliche Umstände klassifiziere, sei die Rechtssprechung in der Schweiz anders.

Dass man Entschädigungszahlungen um jeden Preis verhindern wolle, ist laut dem Swiss-Mediensprecher eine Unterstellung. Er sagt:

Forderung nach mehr Konsumentenschutz

Dass die Fluggesellschaften ihre rechtlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen versuchen, ist plausibel. Ob dies in Fällen, wie im vorliegenden, kundenfreundlich ist, ist eine andere Frage. Klar ist, dass die Gesellschaften wesentlich mehr Ressourcen in den rechtlichen «Kampf» zu investieren vermögen und der Weg zur Entschädigung für den Passagier auch mühsam sein kann, wenn der Fall rechtlich klar ist – wenn sich die Gesellschaften mit allen möglichen Mitteln dagegen wehren.

Blogger Schlappig fordert aus diesem Grund, dass «Länder mit funktionierendem Konsumentenschutz» sich mehr darauf fokussieren sollten, Entschädigungsforderungen von Passagieren zu vereinfachen und durchzusetzen. Es brauche eine Art Durchsetzungsmechanismus, der sicherstelle, dass Fluggesellschaften nicht weiter mit allen möglichen Rechtstricks versuchen könnten, entsprechende Forderungen abzulehnen.

veröffentlicht: 17. Juni 2024 07:15
aktualisiert: 17. Juni 2024 07:15
Quelle: watson

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