«Wir müssen davon ausgehen, dass etwa die Hälfte unserer Sozialhilfe-Klientinnen und -Klienten psychische Probleme haben», erklärte Nicolas Galladé, Präsident Städteinitiative Sozialpolitik und Stadtrat von Winterthur ZH, in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht der Städteinitiative Sozialpolitik.
Die 14 beteiligten Städte schätzten, dass ein Viertel ihrer Klienten psychisch so stark belastet ist, dass sie im Alltag merklich beeinträchtigt sind. Im Bericht vertreten sind die grossen Städte wie Zürich, Basel und Bern, aber auch kleinere wie Biel, Chur und St.Gallen. In diesen 14 Städten lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz.
Zu wenig Zeit für komplexe Fälle
In den meisten Städten sei das Angebot an schnell verfügbaren Abklärungs- und Therapiemöglichkeiten ungenügend, besonders für Kinder und Jugendliche, hiess es im Bericht. Vielerorts fehle auch ein systematisches Vorgehen und genügend Zeit, um komplexe Fälle zu begleiten und die Zusammenarbeit etwa der Wohnhilfe, der Beistandschaft und des Gesundheitswesens zu koordinieren.
«Die Sozialhilfe kann die Lücken im Gesundheitswesen nicht schliessen», sagte Galladé. «Aber sie kann das Thema psychische Gesundheit stärker fokussieren und ihren Beitrag für eine gute Zusammenarbeit mit dem gesamten Hilfesystem leisten.»
Weniger Menschen in der Sozialhilfe
Derweil waren die Sozialhilfequoten 2023 so tief wie schon lange nicht mehr: In 12 von 14 Städten lagen sie unter dem Niveau von 2019, in 11 Städten sogar unter dem Niveau von vor zehn Jahren. Im Vergleich zum Vorjahr ging auch fast überall die Zahl der Sozialhilfebeziehenden zurück, im Durchschnitt um 4,3 Prozent. Die Sozialhilfequote misst den Anteil der sozialhilfebeziehenden Personen an der gesamten Wohnbevölkerung.
Ein Grund ist nach Ansicht der Städte der brummende Arbeitsmarkt. In fast allen Branchen würden Mitarbeitende gesucht. Die Arbeitslosenquote sei in den letzten drei Jahren in allen Städten gesunken. «Wer arbeitsfähig ist, findet recht schnell eine Stelle», hiess es von den Städten.
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Einelternhaushalte häufiger betroffen
Einen weiteren Grund für die positive Entwicklung sehen die Städte in ihren Sozialdiensten. Diese würden wichtige sozialarbeiterische Unterstützung bieten, damit die Klientinnen und Klienten wieder ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit erreichten. Dazu zählten Arbeitsintegrationsprogramme, die Stabilisierung in Krisensituationen oder die Unterstützung beim Einfordern von Sozialleistungen.
Besonders oft auf Unterstützung angewiesen waren demnach weiterhin Kinder und Jugendliche, Geschiedene, Ausländerinnen und Ausländer sowie Personen ohne anerkannten Berufsabschluss. Im Mittel wurden in den 14 Städten rund 23 Prozent aller Einelternhaushalte durch die Sozialhilfe unterstützt, vor allem Frauen in Teilzeitarbeit mit minderjährigen Kindern.
(sda/red.)