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Wenn Kontinuität beim FC Luzern kein Fremdwort mehr ist...

Wenn Kontinuität beim FC Luzern kein Fremdwort mehr ist...

12.06.2015, 13:35 Uhr
· Online seit 19.09.2014, 15:34 Uhr
Eine Analyse von Radio Pilatus Sportchef Sämi Deubelbeiss
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In der noch jungen Meisterschaft hat der FC Luzern in den ersten acht Spielen keinen Sieg errungen. Mit lediglich fünf Punkten ist der FCL noch hinter Aufsteiger Vaduz Tabellenletzter. Warum bloss haben die Luzerner ihren Trainer Carlos Bernegger noch nicht entlassen? Was muss in den Köpfen der sportlichen Führung um Sportchef Alex Frei nur vorgehen, dass man so lange am 45-jährigen Schweiz-Argentinier festhält? Wieso hat Luzern keinen Christian Constantin, welcher im Wallis jeweils für Ruhe und Ordnung sorgt, wenn der kurzfristige Erfolg ausbleibt? Kontinuität heisst das Zauberwort. Und dass die Kontinuität zum Erfolg führen kann, dafür gibt es im Fussball viele gute Beispiele.

Zugegeben, der Start in die neue Saison war für den FC Luzern eine grosse Enttäuschung. Nach dem sofortigen Ausscheiden in der Europa League gegen Utrecht und Genk in der Vergangenheit, hatte der FCL dieses Jahr grosses vor. Die Gruppenphase war ein gewagter, aber durchaus realistischer Traum. Der schottische Cupsieger St. Johnstone sollte nur eine erste Station sein auf einer langen, märchenhaften Europareise. Doch bereits im tristen Perth, wo St. Johnstone seine Heimspiele austrägt, war für die Luzerner Endstation. Wie so oft in den vergangenen Jahren verlor der FCL ein Elfmeterschiessen. Torhüter Dave Zibung konnte keinen der fünf schottischen Elfer abwehren, obwohl drei davon mitten auf sein Gehäuse kamen. Zibung die Schuld am Out zugeben, wäre jedoch viel zu einfach. Alleine FCL-Angreifer Dario Lezcano hätte das Duell gegen die zum Teil sehr bieder auftretenden Schotten entscheiden müssen. Er brachte es aber im Hin- und Rückspiel fertig, jeweils völlig alleinstehend vor dem gegnerischen Tor den Ball am Pfosten vorbei zu zirkeln. Und so kam es, wie es kommen musste. Der FCL verpasste ein weiteres Kräftemessen auf europäischen Parkett leichtfertig. Besonders ärgerlich, da mit Spartak Trnava aus der Slowakei durchaus ein machbarer Gegner gewartet hätte.

Der Unentschieden-Fluch in der Meisterschaft

Wenig erstaunlich, dass der FCL diesen Schock nicht sofort verdauen konnte. Daher war es nicht verwunderlich, dass man nur drei Tage nach dem Schottland-Debakel gegen den amtierenden Schweizer Meister Basel 0:3 unterging. Es war das bislang einzige Saisonspiel, in welchem das Team von Coach Bernegger spielerisch unterlegen war. Was danach folgte, war Neuland für den FCL-Fan. Sei es gegen GC, den FCZ oder Aarau – in allen diesen Heimspielen zeigten die Luzerner tolle Ansätze. Mit Offensivpower, gutem Pressing und Leidenschaft dominierte der FCL die Gegner auf der Allmend schon fast nach Belieben. Doch wie bereits in den beiden Spielen gegen die pummeligen Schotten, vergab der FCL beste Torchancen. Dem Gegner reichten dann jeweils zehn schwache FCL-Minuten für einen Torerfolg und einen Punktgewinn.

Die fehlende Effizienz zieht sich nun seit dem Saisonstart im Juli wie ein roter Faden durch die Luzerner Auftritte. Sicher der Hauptgrund, warum die Luzerner sieben der elf bisher gespielten Ernstkämpfe mit einem 1:1 Unentschieden beendeten. Augenfällig war, wie einfach sich die Luzerner Spiel für Spiel selbst um den Ertrag brachten. Neben mangelnder Effizienz kam nämlich auch eine Prise Dummheit dazu. Weder Freulers Platzverweis in St. Gallen, noch Affolters Ausschluss gegen YB waren in irgendeiner Form erklärbar. Völlig unnötig schwächten sie ihr Team so stark, dass die Luzerner die Heimreise als Verlierer antreten mussten. Unerfahrenheit sagen die einen, Naivität die anderen. Klar ist nur, dass man in Luzern diese Unzulänglichkeiten abstellen muss, um erfolgreich zu werden.

Ist Carlos Bernegger noch der Richtige?

Was tun also, wenn eine neu formierte Mannschaft zwar bereits ansehnlichen Offensiv-Fussball zeigt, jedoch kurzfristig die Resultate ausbleiben? Den Trainer wechseln, welcher die Mannschaft vor etwas mehr als einem Jahr vor dem Abstieg gerettet hat? Den Trainer, der die Mannschaft in der vergangenen Saison mit dem vierten Platz in die Europa League führte? Den Trainer, um welche nun eine neue, junge Mannschaft aufgebaut wird? Klar gibt es Argumente, dies zu tun.

Carlos Bernegger erntet aktuell das erste Mal im Profifussballgeschäft scharfe Kritik. Begründete und unbegründete Kritik von Presse und Fans. Der feurige Schweiz-Argentinier lebt den Fussball. Wenn man mit ihm spricht, spürt man seine Leidenschaft, seine Professionalität und vor allem sein Wissen. Was er über die Gegner zu erzählen weiss, ist beeindruckend. Da verzeiht man ihm doch fast seine verbalen Auseinandersetzungen mit den Haupttribünen-Fans. Jene Techtelmechtel, welche ihn eventuell derart aus dem Konzept bringen, dass er vergisst, dass man im Fussball nach wie vor drei Wechsel machen darf. Dies ist womöglich Berneggers grösste Schwäche. Noch in der vergangenen Saison wechselte er mehrfach den Sieg ein. Dieses Näschen scheint in der Sommerpause verloren gegangen zu sein. Mit der einen Ausnahme, als Einwechselspieler Mobulu in Vaduz den Last-Minute-Punkt sicherte. Sonst wartet man aktuell aber vergeblich auf eine Bernegger-Reaktion. Der Gaucho beginnt mit seinen Rochaden meistens zu einem Zeitpunkt, bei dem der Fan auf der Tribüne das Wechselkontingent schon doppelt ausgeschöpft hätte, wenn er denn könnte. Nach den Spielen sieht man dann wieder den professionellen Bernegger. Mit konkreten Fragen stampft man mit dem Mikrophon in der Hand auf ihn zu. Angekommen stellt man die Fragen. Warum ein Mobulu nicht früher eingewechselt wurde gegen Aarau oder warum Jantscher in Bern als bester Mann so früh vom Platz musste? In stoischer Ruhe erklärt Bernegger dann, dass er Mobulu nicht früher bringen konnte, weil Aaraus Radice dann zu viele Freiheiten gehabt hätte. Oder Jantscher, der nach seiner Verletzung physisch noch nicht ganz auf der Höhe sei und gegen YB daher läuferisch zu stark abbaute und für Bernegger defensiv ein Unsicherheitsfaktor wurde. Klar, dass hier die Meinungen auseinander gehen. Man wünscht sich für die Zukunft sicher, dass Bernegger wieder mutiger wird und Siege einwechselt.

Heikel ist auch das Thema Jugendarbeit. Carlos Bernegger hat sich bei GC und Basel einen Namen als Ausbildner gemacht. Die Hoffnung bei Berneggers Amtsamtritt war gross in Luzern, dass nun endlich wieder junges, eigenes Blut in die erste Mannschaft kommt. Doch passiert ist in dieser Hinsicht in den vergangenen 17 Monaten nichts. Alain Wiss bleibt der bislang letzte FCL-Junior, welchem der Sprung in die erste Mannschaft gelungen ist. Weder ein Bento, Bühler, Sacirovic oder Neziraj schaffte unter Bernegger den Durchbruch. Ob dies nun die Schuld von Bernegger ist oder ganz einfach die Jugendarbeit in den vergangenen Jahren versagte in Luzern, ist nicht abschliessend zu klären. Offensichtlich ist aber, dass Bernegger der Mut fehlt, einmal einen Jungen einzubauen. Zu gross ist seine Angst etwas falsch zu machen, seinen Job zu verlieren. Der FCL-Fan wartet schon lange auf den magischen Moment, wenn ein neuer Fabian Lustenberger oder Pirmin Schwegler auftaucht. Einer von hier, einer von ihnen, welcher die beiden Löwen auf der Brust mit stolz trägt und ganz nebenbei noch ein begnadeter Fussballer ist. Einer, welcher später für viel Geld transferiert werden kann. Schliesslich sagte Sportchef Alex Frei schon bei seinem Amtsantritt, dass man Klasse nicht kaufen, sondern selbst ausbilden wolle. Man kann nun zum Schluss kommen, dass Carlos Bernegger in Luzern die Erwartungen nicht erfüllt hat und ersetzt werden muss. Man kann, aber man muss nicht.   

Das Zauberwort heisst Kontinuität

Die guten Resultate blieben bislang also aus, junge Spieler wurden keine eingebaut und die Differenzen mit den Fans nahmen nicht wirklich ab. Für gewisse Medien war nun klar, der Glatzkopf an der Seitenlinie gehört rasiert. Sofort kam der Name Thorsten Fink ins Spiel. Ein Trainer, welcher Sportchef Alex Frei aus gemeinsamen Zeiten beim FC Basel kennt. Ein Trainer, welcher sicherlich nicht für den gleichen Lohn wie Carlos Bernegger in Luzern arbeiten würde. Ein Trainer, welcher bereits den Ligakrösus Basel beim ersten Angebot aus der Bundesliga in Richtung Deutschland verliess. Kurz, eine für Luzern doch sehr unrealistische und wenig zielführende Option. Der FC Luzern hat dann auch sofort reagiert und die Gerüchte vehement dementiert. Ob dies wirklich nötig war, ist eine andere Frage. Wirklich wichtig war, dass der FCL bereits nach der Niederlage in Bern klar Stellung bezogen hat. Der Trainer sei bis im Winter kein Thema. Komme was wolle, hiess es. Man habe bereits vor der Saison gesagt, dass Kontinuität in der sportlichen Führung das A und O sei in Luzern. Das man dies nun konsequent umsetzt und einhaltet, ist lobenswert. Denn es gibt in ganz Fussballeuropa genügend Beispiele, dass dieser Weg der goldene sein kann.

Tatort Zürich, man schreibt das Jahr 2003. Ein gewisser Lucien Favre wird im Frühjahr neuer Cheftrainer beim FCZ. Er führt sein Team  nach einem halben Jahr auf den fünften Platz. In einer Zeit, wo es in der Schweiz noch die beliebte Finalrunde gab. Die Erwartungen im Sommer sind nun gross, die vom legendären Präsidenten Sven Hotz sowieso. Mit dem neuen Trainer Lucien Favre will man beim FCZ endlich wieder Titel gewinnen. Der Saisonstart verläuft jedoch überhaupt nicht nach Wunsch. Fünf von sechs Spielen verlieren die Zürcher zum Saisonstart. Nach zehn Runden hat Favres FCZ gerade mal acht Punkte auf dem Konto. Die Mechanismen im Fussball scheinen zu greifen. Das Schweizer Boulevardblatt schiesst aus allen Rohren "Favre muss weg". Nur einer spielt in diesem Spiel nicht mit: FCZ-Präsident Sven Hotz. Er hält gnadenlos an Favre fest. Dieser dankt es im später mit einem Cupsieg (2005 gegen Luzern) und zwei Schweizermeistertitel. Sven Hotz tänzelt wohl immer noch beflügelt durch Zürich und klopft sich selbst auf die Schulter, dass er damals so viel Geduld und Mut hatte, an Favre festzuhalten. Letzterer ist mittlerweile bei Mönchengladbach glücklich geworden, auch dank der Geduld von Hotz.

Solche Beispiele gibt es viele im Fussball. In der deutschen Bundesliga beispielsweise in Freiburg, Mainz oder Bremen. Bei allen diesen deutschen Mittelfeldclubs blieben die Clubverantwortlichen stets ruhig, auch wenn es einmal eine ganze Saison schlecht lief. In einer Zeit, in welcher beispielsweise in Hamburg oder Stuttgart längst Dutzende Trainer kamen und gingen. Welche dieser beiden Möglichkeiten die erfolgreichere ist, ist nicht abschliessend auszumachen. Aber, Geduld zahlt sich im Fussball vielfach aus.

Kontinuität scheint nun auch beim FC Luzern die neue Strategie zu sein. Endlich, ist man versucht zu sagen. Vorbei scheinen die Zeiten, in welcher man beim ersten Gegenwind von aussen umfällt. Vorbei scheinen die Zeiten, ich welcher man sich von den Zeilen des Blätterwalds verunsichern lässt. Vorbei scheinen die Zeiten, in welcher man beim FCL mehr Trainer entlässt, als Punkte auf dem Konto hat. Der sportlichen Führung um Sportchef Alex Frei und Präsident Ruedi Stäger wäre es zu gönnen, wenn die für den FC Luzern neue Strategie der Ruhe und Vernunft aufgehen würde. Es muss ja nicht gleich die Serienmeisterschaft dabei herausspringen. In Luzern würde man den Herren wohl bereits bei einem Cupsieg zu Füssen liegen. Die ewigen Nörgler und Besserwisser wären bestimmt die ersten Gratulanten.

Sämi Deubelbeiss
Sportchef Radio Pilatus

9. März 2020 - 12:03

Radio Pilatus Sportchef Sämi Deubelbeiss zur aktuellen Lage beim FC Luzern

veröffentlicht: 19. September 2014 15:34
aktualisiert: 12. Juni 2015 13:35

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