«Wir hätten den Stein noch immer gerne zurück», sagt Peter Michel der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Michel ist Präsident des Turnvereins Interlaken. Er hat den Stein schon lange nicht mehr gesehen und keine Ahnung, wo er ist.
Seit 40 Jahren verschwunden
Vielleicht ist er im Jura. Vielleicht auf dem Grund des Thunersees. Vielleicht weiss gar niemand mehr, wo er ist. «Es gibt viele Theorien», sagt Michel. Aber er ist sich sicher: «Wenn der Stein zurückkommt, dann auf spektakuläre Art und Weise.»
Am 3. Juni 1984 wurde der Stein erstmals gestohlen. Die Béliers – die jungen jurassischen Separatisten – stahlen ihn aus dem Touristikmuseum Interlaken. Kein leichtes Unterfangen, der Stein wog 83,5 Kilogramm.
Eigentlich ist der Unspunnenstein ein Wettkampfgerät, das beim Steinstossen so weit wie möglich gestossen werden muss. Erstmals wurde 1808 am zweiten Unspunnenfest, das heutzutage noch alle zwölf Jahre stattfindet, mit dem originalen Stein gestossen. Ohne diesen originalen Stein musste der TV Interlaken nach dem Diebstahl von 1984 einen Ersatz besorgen, man wurde im Grimselgebiet fündig.
Die erste Rückgabe war eine Show
2001 wurde der gestohlene Stein zurückgegeben, offenbar aus privater Initiative und nicht mit den Béliers abgesprochen, wie der Separatisten-Sprecher Jonathan Gosteli der «Berner Zeitung» vor drei Jahren sagte. In Empfang nehmen durfte ihn die Gattin des früheren Schweizer Botschafters in Berlin, Shawne Fielding. Es war eine Show.
Der Stein war von den Béliers bearbeitet worden: Sie hatten ihm Europa-Sterne und ihr Wappen eingemeisselt sowie das Datum der eidgenössischen Abstimmung über den Europäischen Wirtschaftsraum von 1992. Der Stein wog jetzt keine 83,5 Kilogramm mehr und war als Wettkampfstein deshalb nicht mehr brauchbar.
2005 verschwand der Stein wieder, diesmal wurde er aus der Lobby des Hotels Victoria-Jungfrau in Interlaken entwendet. Zurück liessen die Diebe einen Pflasterstein mit aufgemaltem Jurawappen.
Seit damals ist der Stein verschollen, und regelmässig keimten Hoffnungen auf eine Rückgabe auf. Letztmals aktiv um den Stein bemüht hatte sich Peter Michel 2011 vor dem Unspunnenschwingen, wie er sagt. 2017, vor dem nächsten des alle sechs Jahre stattfindenden Schwingens, kursierten erneut Gerüchte über eine mögliche Rückgabe. Der TV Interlaken gab sich gesprächsbereit, die Hoffnungen blieben unerfüllt.
Baume-Schneider findet, es ist Zeit für Rückgabe
Nach dem Amtsantritt der ersten jurassischen Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider im Jahr 2023 – es war wieder kurz vor einem Unspunnenschwingen – schrieb der TV Interlaken der frischgewählten Magistratin einen Brief. Ob diese antwortete, weiss Michel nicht. Bewegung kam zumindest keine in die Sache.
Baume-Schneider sagte der «NZZ am Sonntag» im letzten August, es sei Zeit für die betreffenden Personen, darüber nachzudenken, wie und wann der Unspunnenstein zurückgegeben werde. «Auf institutioneller Ebene ist die Jurafrage beendet.» Der Stein blieb verschollen.
Peter Michel ist der erfolgreichste Steinstösser der Geschichte. «Ich habe viel mit dem Stein erlebt», sagt er. Er denke ab und zu an ihn. Käme der Stein zurück, möchte er ihn in ein Museum geben. Michel sagt: «Der Stein ist jetzt ein Zeuge der Geschichte».
(sda)