Es ist ein schöner Sommerabend im Juli. Als kurz vor 22 Uhr die Abenddämmerung begann, schreckten ein Schuss und ein Schrei die Nachbarschaft des Schulhauses Wydenhof in Ebikon auf. Ein Mann hatte von seinem Balkon aus auf eine Gruppe Jugendlicher und junger Erwachsener geschossen, die sich auf dem Schulhausplatz befand.
Bereits vor dem verhängnisvollen Abend hatte sich der Schütze über den Lärm vom Schulhausplatz genervt, schreibt die Staatsanwaltschaft in der Anklage. Das Schulhaus Wydenhof ist auch ausserhalb der Schulzeit ein regelmässiger Treffpunkt für Jugendliche und junge Erwachsene. Abhängen, trinken und Musikhören. Wegen dieser Nachtruhestörungen werde er «mal schiessen», habe der Angeklagte schon früher zu seiner Freundin gesagt.
Schüler pinkeln, Angeklagter trinkt, dann fällt der Schuss
Auch am Abend des 14. Juli 2017 war eine Gruppe auf dem Schulhausplatz. Als der heute 38-jährige Schweizer nach 19 Uhr von der Arbeit nach Hause kommt, hat er bereits eine Dose Bier getrunken, schreibt die Staatsanwaltschaft. Er habe sich auf den Balkon gesetzt, nahm das nächste Bier und las ein Buch.
Durch eine Lücke im Gebüsch vor seinem Balkon habe der Angeklagte auf den Schulhof gesehen. Er beobachtete, wie zwei junge Männer dort an die Mauer der Turnhalle pinkelten. Offenbar zu viel für ihn. Gemäss der Staatsanwaltschaft ging der Schweizer daraufhin in sein Büro und holte sein Sturmgewehr und zwei Magazine. Er setzte sich dann aber wieder auf den Balkon und las gut eine halbe Stunde weiter in seinem Buch. Dazu trank er weiter Bier – die Waffe neben sich.
Nach über zwei Litern Bier und dem Konsum von CBD-Hanf sei es ihm dann zu viel geworden. Genervt vom Lärm griff er kurz vor 22 Uhr zur Waffe, nahm die Gruppe auf dem Schulhausplatz ins Visier und drückte ab, so die Staatsanwaltschaft. Es fiel ein einziger Schuss.
Opfer überlebt – Schütze leistete erste Hilfe
Der Schuss traf einen damals 21-jährigen Kosovaren. Dieser wurde am Oberarm und im Oberkörper getroffen. Er erlitt Blutungen in der Lunge, zwei Trümmerbrüche an den Rippen und einen Leberriss. «Ech ha Scheisse baut», habe der Angeklagte nach dem Schuss seiner Freundin geschrieben.
Der Schweizer schnappte sich anschliessend eine Tasche mit Verbandsmaterial, rannte zum Schulhausplatz und leistete Erste Hilfe, heisst es in der Anklageschrift. Auf dem Platz war auch der Bruder des Opfers. Gemäss diesem wirkte der Angeklagte dabei nicht angetrunken.
Nachdem der Angeklagte den Kosovaren erstversorgt hatte, sei er zurück in seine Wohnung gegangen, um einen Heuschnaps zu trinken, bevor er auf den Schulhausplatz zurückkehrte. Kurz darauf wurde er von der Polizei festgenommen. Der 21-jährige Kosovare überlebte. Zehn Tage nach dem Vorfall konnte es das Spital verlassen.
Täter soll sieben Jahre ins Gefängnis
Beim heute 38-jährigen Schweizer handle es sich um einen versierten und ausgebildeten Schützen, schreibt die Staatsanwaltschaft. Er habe gewusst, dass er mit einem Schuss aus dieser Distanz ohne Weiteres einen Menschen töten könnte. Damit habe er bewusst und gewollt die Gruppe in Lebensgefahr gebracht. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren. Der Prozess vor dem Luzerner Kriminalgericht beginnt am Montagnachmittag.