Zentralschweiz
Zug

Der Taxifahrer und die ominöse Weinflasche

Der Taxifahrer und die ominöse Weinflasche

02.06.2016, 17:15 Uhr
· Online seit 01.06.2016, 17:15 Uhr
Die Akten zur Zuger Sexaffäre: Vernachlässigte Aspekte der Strafuntersuchung
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13. März 2020 - 10:43

Der Taxifahrer und die Weinflasche: Mehr zur sogenannten Sexaffäre

Ein anonymer Taxifahrer und eine ominöse Weinflasche: Zwei vernachlässigte Aspekte der sogenannten Zuger Sexaffäre, die viel über die Strafuntersuchung durch die Staatsanwaltschaft aussagen. Dabei geht es nicht um eine Aufklärung, was in der Nacht nach der Landammannfeier genau passiert ist. Das wird wohl nie ganz genau geklärt werden. Es geht aber um die Frage, ob die Zuger Staatsanwaltschaft in alle möglichen Richtungen ermittelt hat.

Der unbekannte Taxifahrer

Eine zentrale Frage in der sogenannten Zuger Sexaffäre war, ob K.O.-Tropfen im Spiel waren oder nicht. Über den Zustand von Jolanda Spiess-Hegglin und Markus Hürlimann in dieser Nacht gab es etliche Zeugenaussagen. Viele davon sind parteigefärbt, und viele davon beziehen sich auf die Zeit, bevor die beiden einen Filmriss hatten. Die vermutlich letzte Person, welche den Beschuldigten Markus Hürlimann und Jolanda Spiess-Hegglin in dieser Nacht zusammen sah, war jener Taxifahrer, der die beiden heimbrachte. Der Taxifahrer hätte eine Aussage über den Zustand der beiden machen können. Die Zuger Polizei versuchte deshalb, den unbekannten Taxifahrer zu finden.

Dass die beiden mit einem Taxi nach Hause fuhren, sagte Markus Hürlimann bei der Befragung durch die Zuger Staatsanwaltschaft am 23. Dezember 2014. Daran konnte er sich schwammig erinnern, obwohl er nach eigenen Angaben einen Filmriss hatte.

«Meine nächste Erinnerung ist das Taxi, es ist wie in der Dämmerung. Wir fuhren zuerst nach Oberwil und danach nach Allenwinden. Es muss so gewesen sein, auch weil mir am anderen Tag 55 Franken gefehlt haben.»

Ein Zuger Taxiunternehmer bestätigte gegenüber Radio Pilatus, dass diese Fahrt wirklich rund 55 Franken kostet. Aufgrund der Aussage von Markus Hürlimann versuchte die Zuger Polizei, den Taxifahrer zu finden. Einer der zuständigen Polizisten hatte eine Bekannte im Zuger Taxi-Millieu. Er fragte sie, ob sie sich umhören könnte. Die Taxifahrerin lieferte daraufhin den Namen eines serbischen Taxifahrers. Dieser habe die Fahrt gemacht. Die Polizei befragte den serbischen Taxifahrer. Gemäss einer Aktennotiz sagte dieser jedoch aus:

«Was hier in Zug läuft, interessiert mich nicht. Ich habe jeden Tag diverse Fahrgäste zu chauffieren, und die mir gezeigten Fotos vom Mann und der Frau habe ich noch nie gesehen».

Auch den Fahrtenschreiber liess die Polizei nicht auswerten. Der Verantwortliche des Taxiwesens der Stadt Zug sagte gemäss der Aktennotiz den zuständigen Polizeibeamten:

«...dass gewisse Taxifahrer immer wieder verzeigt werden, weil sie ihre Fahrtenschreiber unsachgemäss bedienten. XY [Anm. der Redaktion: der serbische Taxifahrer] gehöre auch zu diesem Personenkreis.»

Wie das Onlineportal Vice bereits früher berichtete, ist das Problematische an dieser Aussage, dass der Verantwortliche des Taxiwesens der Stadt Zug gleichzeitig auch Kantonsrat der SVP ist, also ein Parteikollege des Beschuldigten. Der Fahrtenschreiber hätte allerdings nur Auskunft darüber geben können, ob der Taxifahrer möglicherweise diese Fahrt aufgrund der Distanz gemacht hat.

Weitere Abklärungen hat die Zuger Polizei gemäss Aktennotiz nicht gemacht. Der zuständige Polizist sagte gegenüber Radio Pilatus, er habe bei den Taxifahrern vor Ort noch nachgefragt, aber keine Antworten erhalten. Vermerkt ist das in den Akten jedoch nicht. Der Polizist sagte weiter, dass rechtlich keine Pflicht bestehe, dass die Taxifahrten schriftlich festgehalten werden müssen. Eine Nachverfolgung des Taxifahrers wäre ausserdem sehr zeitintensiv gewesen, so der Polizist.

Gegenüber Radio Pilatus sagte die Taxifahrerin, die damals den Namen des serbischen Taxifahrers an die Zuger Polizei geliefert hatte, dass sie selber nicht wisse, wer gefahren sei. Sie habe den Namen des serbischen Taxifahrers von Sheriff. Das sei ein türkischer Taxifahrer in der Stadt Zug. Bei einem Treffen mit Radio Pilatus sagte Sheriff jedoch, dass er nicht wisse, wer gefahren sei. Es habe ihn auch nie jemand gefragt. Er kenne ausserdem auch diese Geschichte nicht. Auch erkannte er auf Fotos weder Jolanda Spiess-Hegglin noch Markus Hürlimann. Auch der serbische Taxifahrer, der angeblich gefahren ist, sagte gegenüber Radio Pilatus klar:

«Diese Fahrt habe ich nicht gemacht. Das wäre eine gute Fahrt gewesen nach Oberwil und dann nach Allendwinden. Daran hätte ich mich erinnert. Ausserdem bin ich nur am Bahnhofplatz stationiert und fahre nicht ab der Altstadt. Ich habe diese Fahrt nicht gemacht.»

In der Altstadt, wo der Vorfall passierte, sind nur wenige Taxiunternehmen stationiert. Bei diesen Unternehmen wurden laut Akten keine Ermittlungen gemacht. Bis heute ist also unklar, welches Taxi die beiden in der Nacht der Landammannfeier nach Hause brachte. Wieso die Behörden diesen Punkt nicht umfassender abgeklärt haben, ergibt sich auch nicht aus den Akten. Die Staatsanwaltschaft nahm gegenüber Radio Pilatus wie folgt Stellung:

«Die Abklärung bezüglich des Taxifahrers hätte nichts zum untersuchenden Sachverhalt beitragen können.»

Die ominöse Weinflasche

Der andere vergessene Aspekt ist derjenige mit der ominösen Weinflasche an der Feier auf dem Schiff. Jolanda Spiess-Hegglin sagte aus, dass plötzlich eine Weinflasche da stand, als sie von der Toilette zurückkam. Vorher seien keine Weinflaschen herumgestanden. Das Personal habe immer nachgeschenkt. Kurz nach dieser Szene mit der Weinflasche, gegen Mitternacht, habe ihr Filmriss begonnen.

«Bevor ich zur Toilette ging, habe ich mein Glas auf den Tisch gestellt. Als ich zurückkam, war neu eine Rotweinflasche auf dem Tisch links von mir. Jedenfalls hat Markus die Rotweinflasche genommen und hat uns beiden Wein nachgeschenkt.»

Auch Markus Hürlimann berichtet von einem Filmriss, der cirka ab Mitternacht beginnt. Es ist also durchaus möglich, dass eine Drittperson K.O.-Tropfen in die Weinflasche geleert hat. Die Staatsanwaltschaft ist diesem Aspekt jedoch nicht nachgegangen. Sie hat weder mit dem Personal auf dem Schiff darüber gesprochen noch hat sie versucht, die Flasche zu beschlagnahmen und auf K.O.-Tropfen zu untersuchen. Sie eröffnete auch kein Verfahren gegen Unbekannt wegen einer versuchten schweren Körperverletzung. K.O.-Tropfen können in einer zu hohen Dosis sogar lebensgefährlich sein. In einer Stellungnahme an Radio Pilatus schreibt die Staatsanwaltschaft:

«Den Ansatz der "herumgestandenen Weinflasche" hat man nicht weiterverfolgt, da die Anzeige erst zwei Tage nach dem mutmasslichen Ereignis eingegangen ist. Eine Sicherstellung der Flasche war somit gar nicht mehr möglich. Die Befragung des Personals hat sich aufgrund der fehlenden Hinweise auf eine narkotisierende Substanz ebenfalls erübrigt.»

Aber auch bei fehlendem Nachweis von K.O.-Tropfen können solche im Spiel gewesen sein. Die Aussagen der Experten dazu sind eindeutig. Radio Pilatus berichtete gestern darüber. Den Bericht dazu sowie die weiteren Berichte zur sogenannten Zuger Sexaffäre gibt es hier.

veröffentlicht: 1. Juni 2016 17:15
aktualisiert: 2. Juni 2016 17:15

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